In Deutschland werden jährlich rund 3,3 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle verbrannt, wodurch mehr als zehn Millionen Tonnen des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids in die Atmosphäre gelangen. Zudem werden jährlich knapp eine Millionen Tonnen Kunststoffabfälle ins Ausland exportiert. Im Sinne einer Energiewende, wie es auch der „Circular Economy Action Plan“ der EU Kommission vorsieht, ist eine Abkehr von der linearen „Take-Make-Waste-Wegwerfgesellschaft“ und eine Hinwendung zur zirkulären Wertschöpfung mit ressourcen-schonender Nutzung von Recyclingrohstoffen dringend notwendig. Länder mit einer leistungsfähigen Circular Economy werden dabei klare Vorteile auf den Weltmärkten haben. Bereits etabliert sind werkstoffliche Recyclingverfahren für sortenreine oder einfach aufzubereitende Kunststoffabfälle. Bei den nicht-sortenreinen oder problematischen Kunststoffabfällen sieht es ganz anders aus: Sie werden bisher entweder entsorgt oder verbrannt. Im Sinne eines verlustarmen und zirkulären Wirtschaftens müssen auch diese Abfälle verwertet werden – idealerweise zu marktfähigen Recyclingrohstoffen.
Für das rohstoffliche Recycling und zur Bereitstellung von gasförmigen, flüssigen und festen Recyclingrohstoffen bieten sich die Thermolyse beziehungsweise Pyrolyse an. Der organische Ausgangsstoff wird durch Erhitzen in mehrere Produkte zersetzt. Bei Temperaturen bis zu 1000 Grad wird mithilfe eines Hochtemperatur-Drehrohrverfahrens aus problematischen Kunststoffabfällen wie Produktionsabfällen und Mischfraktionen mit Störstoffen CO2-neutraler Wasserstoff. Das Verfahren könnte vor allem für Verpackungsabfälle wie Multilayer-Verpackungsfolien, die PVC-haltig oder mit Füll- und Verstärkungsstoffen sind, eingesetzt werden. Das Aufkommen an diesen Verpackungsabfällen liegt in Deutschland jährlich bei 1,5 Millionen Tonnen.
Neben CO2-neutralem, nicht-strombasiertem Wasserstoff soll mit dem Verfahren ein flexibel verwertbarer Recycling-Kohlenstoff / -Koks hergestellt werden, der zudem als Feststoff via „Carbon-Capture-and-Storage (CCS)“ einfacher als CO2 sequestriert werden könnte. Mit diesem Verfahren ließen sich nach erfolgreicher Entwicklung und Industrialisierung pro verarbeiteter Tonne Kunststoffabfall bis zu drei Tonnen CO2-Emissionen vermeiden, die bislang bei deren Verbrennung emittiert werden.
Das ZSW verfügt über Knowhow im Bereich Pyrolyse und Vergasung sowie Hochtemperatur-Prozesstechnik, das beim Reaktor-Engineering und dessen Integration die bestehende Hochtemperatur-Testumgebung angewendet wird. Die bestehende Hochtemperatur-Testumgebung im ZSW-Labor soll bis Mitte 2023 durch ein Hochtemperatur-Drehrohrverfahren erweitert werden. Aktuell erfolgt das Engineering eines hierfür ausgelegten Hochtemperatur-Drehrohr-Reaktors. Ziel ist die Entwicklung eines wettbewerbsfähigen flexibel einsetzbaren und großtechnisch skalierbaren Hochtemperatur-Drehrohrverfahrens für schwierig aufzubereitende Kunststoffabfallfraktionen. Ein wichtiger Schritt für die zukünftige Erzeugung von klimaneutralem Wasserstoff und ein zirkuläres Wirtschaften ohne Inanspruchnahme weiterer fossiler Ressourcen und resultierender CO2-Emissionen.