Die Zeit bis zum Erreichen der Klimaziele ist knapp. Um Erfolge im Klimaschutz vorzuweisen, brauchen wir neben Innovationen – sowohl technischer als auch gesellschaftlicher Art – auch die rasche Verbreitung oder Diffusion von Innovation. Das produktive Zusammenwirken von verschiedenen Konzepten, Technologien und Systemen im Bereich von Klimaschutz und Energiewende ist Grundlage für Innovationsstrategien, mit denen neue Wege für Wertschöpfung gefunden werden. Ausgehend von technisch orientierten Potenzialanalysen, Machbarkeitsstudien und Szenarien zur Technologiediffusion übernimmt das ZSW auch die Bewertung der ökonomischen Wirkungen von Innovationen und deren Markteinführung. Im Fokus stehen dabei beispielsweise Beschäftigungseffekte oder Veränderungen von Wertschöpfungsstrukturen. Das ZSW ist auf diesem Gebiet führend – was unter anderem in der Entwicklung von Technologie-Roadmaps zum Ausdruck kommt.
Das Erreichen der Klimaschutzziele bis 2050 erfordert die rasche Diffusion verfügbarer Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien, aber auch die breite Nutzung neuer innovativer Technologien in der Zukunft. Laut einer IEA-Studie wird im Jahr 2050 fast die Hälfte der Emissionsreduktionen von Technologien stammen, die sich derzeit erst in der Demonstrations- oder Prototypenphase befinden. In der Schwerindustrie und im Fernverkehr ist der Anteil der Emissionsminderungen durch Technologien, die heute noch in der Entwicklung sind, sogar noch höher (IEA Report: Net zero by 2050). Das heißt, technologische Innovationen spielen für eine klimaneutrale Gesellschaft eine entscheidende Rolle. Eine breite gesellschaftliche Akzeptanz ist dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Verbreitung innovativer Energiewendetechnologien. Für eine ganzheitliche Betrachtung sind alle Akteure im Innovationssystem in den Blick zu nehmen: Wissenschaft und Unternehmen als Anbieter von Innovationen sowie die Anwender und Nutzer von Innovationen, aber auch der Staat, der Rahmenbedingungen und Anreize setzt oder selbst als Nutzer auftritt.
Im Themenfeld Innovationsmanagement befasst sich das ZSW daher beispielsweise mit folgenden Fragen: Wie sieht der Weg von der Idee bis zum erfolgreichen Produkt aus? Welche Faktoren sind Treiber oder Bremser in der Diffusionsphase einer neuen Technologie? Wie funktioniert das Innovationssystem im betrachteten Technologiefeld? Zur Beantwortung dieser und vieler anderer Fragen nutzen wir in der Forschung und Beratung ein breites Spektrum an Methoden, wie: Patentanalysen, Agenten-basierte Simulationen, Ökonometrie, Monitoring-Methoden und Netzwerkanalysen.
Eine wichtige Voraussetzung, um eine Innovation erfolgreich auf den Markt zu bringen, ist die Kenntnis des Wettbewerbsumfeldes. Für Klimaschutztechnologien, beispielsweise die klimaneutrale Herstellung von Wasserstoff, ist dabei eine globale Sichtweise relevant. Neben konkurrierenden technischen Lösungen (z.B. grüner versus blauer Wasserstoff) sind die Einsatzbedingungen in verschiedenen Ländern und Weltregionen sowie die wesentlichen Akteure zu analysieren. Für alternative technische Lösungen sind die Entwicklung des technologischen Reifegrads und der Kosten sowie das Entwicklungspotenzial zu berücksichtigen. Beispielsweise geben Patentanalysen Hinweise auf den Stand des technologischen Reifegrades und die Weiterentwicklungsmöglichkeiten sowie auf Aktivitäten relevanter Akteure. Im Rahmen von Länderanalysen ist u.a. zu klären, ob wesentliche Voraussetzungen für die erfolgreiche Einführung von Innovationen vorhanden sind. Hier sind die Potenziale für die Nutzung erneuerbarer Energie, die politische Stabilität oder die Verfügbarkeit von Fachkräften von Interesse. Im Rahmen von Treiberanalysen werden die wichtigsten Akteure identifiziert, welche die Nutzung und Verbreitung neuer Technologien aktiv vorantreiben – beispielsweise die Einführung und Förderung von Wasserstoff als Energieträger durch die Verabschiedung einer Wasserstoffstrategie oder –roadmap in verschiedenen Ländern.
Die am ZSW durchgeführten technischen Entwicklungen und das in den verschiedenen Fachgebieten vorhandene technologische Know-How versetzt das Fachgebiet Systemanalyse in die Lage, fundierte Analysen zur Technologieentwicklung zu erstellen. Beispielhaft zu nennen sind hier Arbeiten im Rahmen der Projekte "Energiewende-Navigationssystem (eNavi)" und „Technologiekalender Strukturwandel Automobil Baden-Württemberg (TKBW)“. In eNavi wurde die vorhandene Technologiebasis ebenso wie laufende Technologieentwicklungen im Kontext der Energiewende erfasst und strukturiert. Hierfür wurden umfangreiche Technologiesteckbriefe erstellt.
Im Projekt TKBW wurde vor dem Hintergrund des tiefgreifenden Wandels der Automobilbranche in Zusammenarbeit mit Projektpartnern ein Werkzeug zur Entscheidungsfindung erarbeitet um kleine und mittlere Unternehmen bei strategischen Entscheidungen zum Produktportfolio zu unterstützen. Im Rahmen der Arbeiten wurde die künftige Entwicklung der alternativen Antriebstechnologien und deren Komponenten zeitlich geordnet in Roadmaps visualisiert. Dabei wurden die neuen Entwicklungen bei Traktionsbatterien, Brennstoffzellen, der Herstellung und Verteilung von Wasserstoff sowie der Produktion von synthetischen Kraftstoffen betrachtet. Beleuchtet wurde der aktuelle Stand der technischen Entwicklung, welche Technologietrends existieren und wann sich welche dieser Technologien voraussichtlich etablieren werden. Das hilft, Entwicklungspfade zu erkennen. Unternehmen können sich so strategisch an zukünftigen Marktbedürfnissen ausrichten.
Um wirkungsvolle energie- und klimapolitische Maßnahmen ergreifen zu können, benötigt die Politik wissenschaftlich fundierte, belastbare und neutrale Entscheidungsgrundlagen. Diese müssen bereits verfügbare und in der Entwicklung befindliche Technologien umfassen sowie deren technisches und ökonomisches Entwicklungspotenzial und deren künftige Effekte im Energiesystem präzise analysieren. Ausgehend von technisch orientierten Potenzialanalysen, Machbarkeitsstudien und Szenarien ist die Bewertung der ökonomischen Wirkungen ein wichtiges Themenfeld des ZSW. Im Fokus stehen beispielsweise durch die Energiewende ausgelöste Veränderungen von Wertschöpfungsstrukturen und damit verbundene Beschäftigungseffekte. Die vom ZSW entwickelten Methoden sind anwendbar auf die Bewertung der Situation in Deutschland, Europa und weltweit. So wurden im Rahmen verschiedener Projekte Umsatz-, Wertschöpfungs- und Beschäftigungspotenziale für Unternehmen in Baden-Württemberg ermittelt, die sich im Zusammenhang mit der Herstellung von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse oder dem Bau von Anlagen zur Herstellung klimaneutraler synthetischer Kraftstoffe bieten.