Windenergie ist ein entscheidender Baustein für das Erreichen der Klimaschutzziele. Ihrer Rolle kann Windenergie aber nur gerecht werden, wenn die Windkraftanlagen optimale Leistung bringen. Ein Schlüssel hierzu sind intelligente Steuerungssysteme, vorzugsweise auf Basis von Künstlicher Intelligenz (KI). Mit KI können sich Windkraftanlagen selbständige an wechselnde Umwelt- und Lastbedingungen anpassen.
Das ZSW beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv und anwendungsnah mit Methoden aus dem Maschinellen Lernen (ML), die sehr genaue Windleistungsvorhersagen ermöglichen. Das komplexe Zusammenspiel aus Wettermodell-Prognosen, Satellitendaten, meteorologischen Messungen sowie historischen und zukünftigen Winderträgen eines Standorts wird dabei berücksichtigt. Mit Rahmen von WINSENT weitet das ZSW nun die Anwendung von KI im Bereich der Windenergieforschung deutlich aus. Dabei setzen wir neue Verfahren des Maschinellen Lernens ein, um Einspeiseprognosen weiter zu verbessern sowie Modelle für die Einbindung von Speichersystemen (beispielsweise Power-to-Gas, Batteriespeicher) im zukünftigen Energiesystem zu optimieren.
Das ZSW entwickelt zudem mit Hilfe von KI einen sogenannten Birdrecorder, mit dem Vögel im Umfeld von Windenergieanlagen detektiert und artspezifisch erkannt werden können. Über die Anlagensteuerung kann dann auf einen Vogelschwarm, der auf die Rotorblätter zufliegt, sofort reagiert und eine Kollision beispielsweise durch Drehzahlverringerung verhindert werden. So sorgt hochentwickelte Technologie für einen wirksamen Naturschutz.
Der Integration von Erneuerbaren Energien in das Energiesystem kommt mit zunehmendem Anteil von Wind- und Solarenergie eine immer wichtigere Rolle zu. Um möglichst die gesamte erzeugte Energiemenge ins Stromnetz einzuspeisen, sind möglichst gute Einspeiseprognosen vor allem der besonders volatilen Energieträger Sonne und Wind notwendig. Aber auch Prognosen für die Einspeisung von Laufwasserkraftwerken sind sowohl für die Netzeinspeisung und für deren Vermarktung von großer Bedeutung.
Das ZSW erforscht und entwickelt seit mehr als zehn Jahren Einspeiseprogosen für Wind-, Solar- und Laufwasserkraftwerken. Die Entwicklung und Vermarktung erfolgt zusammen mit der heimischen Industrie. Dies sind vor allem Wetterdienstleister und Stromvermarktungsunternehmen im Bereich der Erneuerbaren Energien und Stadtwerke. Dafür entwickelt und betreibt das ZSW ein innovatives, operationelles Prognosesystem, das auch für die Prognosen im Rahmen von GridSage für den Redispatch 2.0 verwendet wird.
Für die Einspeiseprognosen kommen neueste KI-Methoden zum Einsatz, um den komplexen Zusammenhang von nummerischen Wettermodelldaten, meteorologischen Messungen, Satellitendaten und aktuellen Einspeisedaten zu modellieren. Die KI-Systeme werden mit historischen Daten der vergangenen Jahre trainiert und validiert, bevor diese im operationellen System für aktuelle Einspeiseprognosen für bis zu 180 Stunden oder in besonderen Anwendungsfällen bis zu 384 Stunden zum Einsatz kommen.
Je nach Einsatzgebiet der Einspeiseprognosen kommen nicht nur deterministische Prognosen, sondern auch probabilistische Prognosen zum Einsatz. Für probabilistische Prognosen dienen meist sogenannte nummerische Ensemble-Wettermodellprognosen als Eingangsparameter für die KI-Modelle. Die Ensemble-Modelle sind jedoch sehr rechen- und datenintensiv. Deshalb hat das ZSW in den letzten Jahren neue KI-Methoden entwickelt, um aus deterministischen Wettermodellen auch hochwertige probabilistische Einspeiseprognosen abzuleiten. Diese bieten vor allem im Bereich der Stromnetzführung und für die Vermarktung von Erneuerbaren Energien wesentliche Vorteile.
Windenergieanlagen sind komplexe großtechnische Anlagen, die über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren möglichst störungsfrei und dauerhaft in Betrieb sind. Zudem sind die Anlagen teilweise extremen Umweltbedingungen ausgesetzt, die hohe Belastungen auf die Anlagenkomponenten wie Rotor, Lager, Getriebe und Generator mit sich bringen. Deshalb ist es von großer Bedeutung, alle wichtigen Anlagekomponenten möglichst lückenlos zu überwachen, Abweichungen von Regelbetrieb möglichst frühzeitig zu erkennen und die Eintrittswahrscheinlichkeit, vor allem für Fehlerzustände von Teilkomponenten, die zu Stillstand der Anlage führen, zu prognostizieren.
Auch dies ist ein ideales Anwendungsgebiet für innovative KI-Methoden, die sich bestens eignen, um mit Hilfe der sogenannten SCADA-Daten von Windkraftanlagen, die genannten Aufgaben Online und in Echtzeit zu bewerkstelligen. Hierzu arbeitet das ZSW mit Windkraftanlagenherstellern und deren Zulieferfirmen zusammen, um innovative Lösungen auf Basis von KI-Methoden zu entwickeln und in den operationellen Einsatz zu überführen.
Die Bewertung eines potentiellen Windkraftstandortes ist einer der ersten Schritte für die Projektierung von Windparks an einem neuen Standort. Befinden sich ein oder mehrere Windparks in der unmittelbaren Umgebung mit vergleichbarer Orographie werden oftmals die Ertragsdaten dieser benachbarten Standorte für die Berechnung des zu erwartenden Ertrags herangezogen. Dies ist insbesondere im komplexen Gelände nicht möglich, da die Anströmung und die Turbulenzintensität im komplexen Gelände sehr stark von den orographischen Gegebenheiten abhängig sind. Dann ist es notwendig Windmessungen mit einem Windmessmast oder Fernerkundungsverfahren über einen längeren Zeitraum – meist über ein Jahr – an potentiellen Windparkstandorten zu unternehmen. Die Messungen müssen dann mit Hilfe von Reanalysedaten mit measurement correlation prediction (MCP) Verfahren in Langzeitbezug gesetzt werden, um aussagekräftige Ertragsgutachten zu erstellen.
Auch in diesem Bereich der Windenergie hat das ZSW innovative KI-basierte Methoden für MCP-Verfahren entwickelt, die speziell im komplexen Gelände mit all seinen Herausforderungen für die Ertragsbestimmung von Windparks und Windkraftanlagen klassischen Verfahren überlegen sind. In einer umfangreichen Vergleichsstudie mit bisherigen MCP-Verfahren konnte das ZSW zeigen, dass speziell im komplexen Gelände KI-basierte MCP-Verfahren den Ertragsfehler gegenüber klassischen MCP-Methoden wesentlich reduzieren.
Im Rahmen der Entwicklung des Windtestfelds am Standort Stötten hat das ZSW die KI-Methoden für die MCP weiterentwickelt, um nicht nur die Windgeschwindigkeit auf Nabenhöhe in Langzeitbezug zu setzen, sondern auch Windprofile über die gesamte Höhe des Rotors. Dies ist insbesondere für moderne Anlagen mit großem Rotordurchmesser und Nabenhöhen von oft mehr als 140 Meters von besonderer Bedeutung.
Aktuelle Entwicklung konzentrieren sich weiterhin darauf, auch die Turbulenzintenisität – sofern diese am Standort gemessen wurde – mit KI-basierten MCP-Methoden und Reanalysedaten in Langzeitbezug zu setzen. Dies ist ein wichtiger Parameter für die Charakterisierung eines Standorts und die standortgerechte Auswahl geeigneter Windkraftanlagen, da die Belastungen der Anlagen sehr stark von der Turbulenzintensität der Anströmung abhängig sind.