Perowskit-Solarzellen sind die Hoffnungsträger der Photovoltaik. Sie können einfach und kostengünstig aus Tintenlösungen hergestellt werden und haben unlängst Rekord-Wirkungsgrade von bis zu 25,7 Prozent im Labor erzielt. Dabei kommen jedoch fast immer gesundheits- und umweltschädliche Lösungsmittel wie Dimethylformamid zum Einsatz. Für eine industrielle großflächige Beschichtung von Perowskit-Solarzellen ist daher die Entwicklung von Verfahren mit weniger kritischen Lösungsmitteln dringend erforderlich. Einen entscheidenden Erfolg auf diesem Weg hat nun das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) erzielt: Die Forschenden entwickelten einen Beschichtungsprozess für Perowskite, bei dem ausschließlich das umweltfreundliche Lösungsmittel Dimethylsulfoxid eingesetzt wurde. Der Wirkungsgrad der im ZSW hergestellten Solarzelle ist praktisch genauso hoch wie bei Zellen, die mit dem toxischen Lösungsmittel Dimethylformamid hergestellt wurden. Die wissenschaftlichen Fortschritte wurden in der Fachzeitschrift „ACS Applied Energy Materials“ veröffentlicht.
Solarzellen mit Perowskit-Schichten als lichtabsorbierendem Material sind seit einigen Jahren in den Fokus von Forschung und Wirtschaft gerückt. Als Perowskite bezeichnet man Materialien, die die gleiche Kristallstruktur aufweisen wie das gleichnamige natürliche Mineral. „Einige Verbindungen dieser Materialklasse zeigen hervorragende optische und elektronische Eigenschaften – für eine höhere Stromausbeute von Solarzellen eine Grundvoraussetzung“, sagt Dr. Jan-Philipp Becker, der Leiter des ZSW-Fachgebiets Photovoltaik Materialforschung. „Außerdem sind die hierfür notwendigen Rohstoffe auf der Erde reichlich vorhanden und somit kostengünstig verfügbar. Damit könnten Hersteller von Solarzellen bald hocheffiziente Module zu noch niedrigeren Kosten anbieten, als sie heute bereits bei siliziumbasierten Zellen und Modulen erreicht werden.“
Es gibt noch weitere Vorteile der Technologie: Perowskite können als Dünnschichttechnologie auch auf Kunststoff-Folien hergestellt werden. Damit sind sie leichtgewichtig und flexibel und erschließen auch Anwendungen, die für herkömmliche Solarmodule nicht zugänglich sind – etwa nahtlos integrierte Solarzellen auf Fahrzeugdächern oder auf Industriehallen, die keine großen Lasten tragen können.
Schädliche Lösungsmittel behindern Produktion im großen Maßstab
Die Ausgangsstoffe der Perowskite werden für die Beschichtung in speziellen Lösungsmitteln aufgelöst. Erst dann können sie gleichmäßig auf die Trägerfläche aufgebracht werden. Dabei kommen in der Regel Mischungen mit Dimethylformamid (DMF) zum Einsatz, das jedoch gesundheits- und umweltschädlich ist. Für eine Überführung der Produktion in einen industriellen Maßstab ist das hinderlich, da größere Mengen des Lösungsmittels als Abfall anfallen und entsorgt werden müssten. Auch sind hohe Kosten für den Arbeitsschutz zu erwarten.
Forschung und Industrie suchen daher intensiv nach umweltverträglichen, industrietauglichen Lösungsmitteln. Aufgrund der benötigten chemischen Eigenschaften kommen jedoch nur wenige Stoffe in Frage. Das Team um Jan-Philipp Becker hat nun genauer untersucht, ob reines Dimethylsulfoxid (DMSO) ein solches Lösungsmittel sein kann. DMSO ist eigentlich für den Beschichtungsprozess nicht geeignet, da die hohe Oberflächenspannung und Zähflüssigkeit des Lösungsmittels zu einer ungleichmäßigen Beschichtung der Solarzelle führt. Außerdem kann der Kristallisationsprozess der Zelle mit DMSO nur schlecht kontrolliert werden, so dass oft nur kleine Perowskit-Kristalle entstehen. Die Folge: Die Zelle erzeugt weniger Solarenergie.
Produktionsprozess für grüne Lösungsmittel anpassen
Um dieses Problem zu lösen, wandten die ZSW-Forschenden zwei Kunstgriffe an. Mittels eines angepassten Filmziehverfahrens und einer verbesserten Trocknungsmethode konnten sie den Wirkungsgrad der mit DMSO produzierten Perowskit-Solarzellen deutlich steigern. „Wir haben ein Netzmittel aus Siliziumoxid-Nanopartikeln bei der Beschichtung der Perowskit-Solarzelle genutzt und den Trocknungsprozess angepasst", sagt Becker. Die beiden Optimierungen führen dazu, dass Schichten mit großen Kristalliten mit gleichbleibender Qualität entstehen.
Die im ZSW mit DMSO als Lösemittel hergestellten 0,24 Quadratzentimeter großen Perowskit-Solarzellen erreichen einen Wirkungsgrad von 16,7 Prozent – nur 0,2 Prozent weniger als die gleich großen, ebenfalls im Institut hergestellten Perowskit-Solarzellen mit DMF. Die Forschenden nutzen die Rakelbeschichtung, englisch Blade Coating, die relativ problemlos auf größere Produktionseinheiten skalierbar ist und sich dadurch für die industrielle Umsetzung eignet.
Perowskit-Solarzellen mit größerer Fläche produzieren
Hier liegt auch der große Unterschied zu Zellen mit Rekordwirkungsgraden von 25,7 Prozent. Sie wurden mit dem Verfahren der Rotationsbeschichtung, englisch Spin Coating, hergestellt. Dabei ist der Wirkungsgrad zwar höher, industriell nutzen lässt sich die Methode für große Modulflächen jedoch nicht.
„Die neuen Forschungsergebnisse sind ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur industriellen Fertigung“, freut sich Becker. „Nun werden wir den Herstellungsprozess weiter optimieren und größere Module herstellen.“ Mit industrietauglichen Beschichtungsmethoden arbeiten die Forschenden auf Modulgrößen von bis zu 30 mal 30 Quadratzentimeter hin. Bei dieser Größe wären alle grundsätzlichen Herausforderungen für die weitere Skalierung auf kommerzielle Modulformate bereits überwunden.
Die Arbeiten wurden im Rahmen der Forschungsprojekte „PERCISTAND“ und „CAPITANO“ durch die Europäische Union und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. Die Arbeit erschien unter dem Titel „One-Step Blade Coating of Inverted Double-Cation Perovskite Solar Cells from a Green Precursor Solvent“: https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acsaem.1c02425