Solarzellen mit zwei stromerzeugenden Halbleitern wird eine große Zukunft vorhergesagt. Ihr möglicher Wirkungsgrad ist deutlich höher als der herkömmlicher Einfachsolarzellen. Je nach Materialzusammensetzung können sie zudem leichter und flexibler sein. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) will diese vielversprechende Tandem-Solartechnologie nun schneller in den Markt bringen: Zu diesem Zweck haben die Forscherinnen und Forscher zwei neue leistungsfähige Beschichtungsanlagen in Betrieb genommen. Die dort hergestellten Tandemsolarzellen bestehen aus einer Perowskitsolarzelle, die mit verschiedenen anderen Solarzellentypen kombiniert werden kann. In den Anlagen werden unter hochreinen Bedingungen die verschiedenen Schichten der Solarzellen aufgebracht. Unternehmen aus der Solarindustrie können hier ihre Entwicklungen im Bereich der Tandemsolarzellen optimieren.
Solarmodule werden immer leistungsfähiger. Der Grund sind höhere Wirkungsgrade durch Fortschritte in Forschung und Produktion. Darüber hinausgehende Wirkungsgradsteigerungen der einzelnen Bauelemente, der Solarzellen, werden aber immer schwieriger und aufwändiger. So liegt die Effizienz der marktbeherrschenden Siliziumzellen bereits nahe dem praktischen Limit von rund 27 Prozent.
Tandemsolarzellen: Die nächste Generation der Photovoltaik
Einen Ausweg aus dem Dilemma bieten Tandemsolarzellen. „Sie bestehen aus unterschiedlichen, übereinander geschichteten Solarzellen“, erklärt Dr. Jan-Philipp Becker, der neue Leiter des ZSW-Fachgebiets ‚Photovoltaik: Materialforschung‘. „Die Schichten nutzen zusammen die Breite des Sonnenlichtspektrums besser aus als die jeweilige Einfachsolarzelle.“
Die obere Solarzelle wandelt das Licht im sichtbaren Teil des Sonnenspektrums in Strom um, die darunterliegende das Licht im infrarotnahen Spektrum. Durch die Kombination weisen die Tandemsolarzellen einen höheren möglichen Wirkungsgrad auf, der in den kommenden Jahren deutlich über die 30-Prozent-Marke steigen wird. Mittlerweile stehen mehrere Varianten von Tandemzellen zur Verfügung.
Hocheffizient, leichtgewichtig, flexibel
Besonders interessant sind Tandemsolarzellen mit sogenannten Perowskit-Schichten als lichtabsorbierendem Material. Perowskite sind Materialien, die die gleiche Kristallstruktur aufweisen wie das gleichnamige natürliche Mineral. Einige Verbindungen dieser Materialklasse zeigen hervorragende optische und elektronische Eigenschaften und sind reichlich und kostengünstig auf der Erde verfügbar. Als zweite absorbierende Schicht setzen die Forscherinnen und Forscher des ZSW auf Zellen aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIGS), aus Silizium oder erneut Perowskit, aber mit angepasstem spektralem Empfindlichkeitsbereich. Die Kombination der verschiedenen Zelltypen – Perowskit-CIGS, Perowskit-Silizium oder Perowskit-Perowskit – bietet eine aussichtsreiche Möglichkeit, den Wirkungsgrad weiter deutlich zu steigern.
Im Fall von Tandemsolarzellen mit dem Duo Perowskit-Perowskit oder Perowskit-CIGS gibt es neben der hohen Effizienz weitere Vorteile: Als Dünnschichttechnologie können die Module auch auf Kunststoff- oder Stahlfolien hergestellt werden und sind dann leichtgewichtig und flexibel. Dadurch eignen sie sich hervorragend für Anwendungen über Obstplantagen, im Fahrzeugdach oder in der gebäudeintegrierten Photovoltaik.
Forschungsanlagen in Betrieb genommen
Um die Entwicklung auf dem Weg zur Marktreife voranzutreiben, hat das ZSW nun zwei Anlagen in Betrieb genommen: Eine zur Herstellung von Perowskit-Dünnschichtsolarzellen und eine für CIGS-Dünnschichtsolarzellen. Tandemsolarzellen mit Siliziumhalbleiter können auf verschiedenen Siliziumzellen externer Partner hergestellt werden.
„Im Institut bestehen nun hervorragende Bedingungen für die Entwicklung von Tandemsolarzellen, insbesondere was die Prozesstechnik für die Herstellung von Solarzellen im Vakuum unter hochreinen Laborbedingungen betrifft. Damit wollen wir die physikalischen Grenzen der Technologie ausloten“, sagt Becker. Dabei helfen auch die bereits vorhandenen, umfangreichen Möglichkeiten zur Materialanalytik. Die hergestellten Solarzellen und -module können nach der Fertigung umfassend analysiert und im eigenen Testlabor Solab sowie im Freifeld auf ihre Langzeitstabilität getestet werden. Mit den neuen Anlagen sollen innovative Prozesse für die Solarindustrie weiterentwickelt werden, die damit effizientere und kostengünstigere Solarmodule auf den Markt bringen können.
Das ZSW nutzt bei der Entwicklung seine über 30-jährige Erfahrung in der CIGS-Technologie. Die Fachleute am Institut haben die Dünnschichtphotovoltaik entwickelt, optimiert und zur Serienproduktion begleitet. Dies wollen sie nun mit den Tandemsolarzellen fortsetzen, bei denen sie bereits gute Wirkungsgrade erzielt haben.
Die vier Beschichtungskammern des Perowskit-Clusters sind um einen Zentralroboter herum gruppiert und können verschiedenste Solarzellenschichten herstellen – mit „gesputterten“ transparenten Schichten, verdampften metallischen oder organischen Schichten sowie einer optimierten Vakuumbeschichtung von Perowskiten in einer Vakuumkammer. In der Anlage sind künftig Mehrkomponenten-Perowskit-Schichten mit hoher Homogenität und Reproduzierbarkeit herstellbar. Erste Optimierungen im Zellaufbau mit aufgedampften organischen Elektronenleiterschichten hat das ZSW bereits erfolgreich durchgeführt.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat die beiden Anlagen im Rahmen der Projekte „CAPITANO“ und „CIGS-Cluster“ gefördert.
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