Dr. Alfred Herberg, Leiter des Fachbereichs "Schutz, Entwicklung und nachhaltige Nutzung von Natur und Landschaft" im Bundes-amt für Naturschutz (BfN), hat am 22. April 2024 gemeinsam mit dem geschäftsführenden Vorstand des Zentrums für Sonnenener-gie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW), Prof. Dr. Frithjof Staiß, die Naturschutzforschung am Windenergietest-feld Geislingen/Donzdorf offiziell eröffnet. Sie dient dazu, Maß-nahmen zum besseren Schutz von Vögeln und Fledermäusen beim Betrieb von Windenergieanlagen zu entwickeln und zu tes-ten. Dafür wird das Verhalten der Tiere an den laufenden Wind-energieanlagen mit modernsten Methoden detailliert untersucht.
„Ich freue mich, dass das ZSW als Betreiber die Möglichkeit eröffnet hat, das Windenergietestfeld auch für die Untersuchung naturschutz-bezogener Fragestellungen zu nutzen“, sagte Dr. Alfred Herberg. „Das Vorhaben NatForWINSENT kann entscheidende Erkenntnisgewinne dafür bringen, mit welchen wirksamen Maßnahmen das Miteinander von Windenergienutzung und Artenschutz noch weiter verbessert wer-den kann.“ Herberg unterstrich in diesem Zusammenhang, dass es nur gemeinsam – im Schulterschluss mit allen relevanten Akteuren wie Behörden, Naturschutzverbänden und Forschung – gelingen wird, die zukünftigen Herausforderungen sowohl der Energiewende als auch des Erhalts der Biodiversität zu meistern. „Die Naturschutzforschung am Windenergietestfeld ist hierbei ein besonders wichtiger, herausra-gender Baustein“, so Herberg.
Auch Frithjof Staiß betonte die Bedeutung der Naturschutzforschung: „Unsere Forschung auf dem Testfeld soll die Windenergienutzung vo-ranbringen. Dabei haben wir zwar insbesondere die Optimierung der Windenergieanlagen im Fokus, wir wissen aber auch um die Bedeu-tung von flankierenden Maßnahmen abseits der Stromerzeugungs-technik. Deshalb ist uns die Forschung an Naturschutzfragen ein be-sonderes Anliegen.“
Das BfN fördert mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Natur-schutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), eingebet-tet in die Förderkulisse der nationalen Artenhilfsprogramme, die aktu-elle Phase des Vorhabens „NatForWINSENT-II: Umsetzung der Natur-schutzforschung am Windtestfeld an Land“ mit knapp 1,45 Mio. Euro. Das vom ZSW geleitete Vorhaben wird von einem Team aus Forsche-rinnen und Forschern international renommierter Institutionen bearbeitet.
Bei einem Rundgang über das Testfeld ließ sich der BfN-Fachbe-reichsleiter die im Rahmen der Forschungsarbeiten eingesetzten Technologien erläutern, die zum Teil speziell für dieses Projekt entwi-ckelt wurden. Die Forscherinnen und Forscher finden für Ihre Untersu-chungen am Windenergietestfeld einzigartige Bedingungen vor. So er-halten sie beispielsweise die Möglichkeit, in die Steuerung der Wind-energieanlagen einzugreifen, um das Verhalten von Vögeln und Fle-dermäusen in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit der Rotoren zu untersuchen. Zudem können sie für Vorher-Nachher-Vergleiche auf umfangreiche Datenreihen zurückgreifen, da die Untersuchungen in Vorläufervorhaben des BfN bereits über mehrere Jahre vor der Errich-tung der Windenergieanlagen durchgeführt werden konnten.
Eine Besonderheit des Testfeldes liegt in der umfassenden apparati-ven Ausstattung. Die aufgenommenen Daten einer Vielzahl hochmo-derner Messinstrumente ermöglichen einen bestmöglichen Erkenntnis-gewinn durch die Auswertung sowohl der biotischen Erfassungen un-tereinander (z. B. Radar, Telemetrie, Laser-Rangefinder) als auch eine zielgerichtete Verschneidung dieser ökologischen Daten mit den abio-tischen Messdaten (Sichtweite, Turbulenzen und weitere meteorologi-sche Parameter). Hieraus können beispielsweise Rückschlüsse gezo-gen werden, bei welchen Wetterbedingungen Vögel und Fledermäuse mehr und bei welchen weniger gefährdet sind. Auf dieser Grundlage sollen Vermeidungsmaßnahmen konzipiert werden, die einen größt-möglichen Schutz bei optimaler Energiegewinnung gewährleisten.
Im Projekt NatForWINSENT werden mit hohem Praxisbezug zudem auch andernorts entwickelte technische Vermeidungsmaßnahmen für den Artenschutz - wie etwa kamerabasierte Antikollisionssysteme - evaluiert. Dadurch erlangt das Vorhaben besondere Aktualität, denn diese neuen Schutzmaßnahmen für Vögel stehen bereits an der Schwelle zur Praxisanwendung. Für die Beurteilung der Leistungsfä-higkeit solcher Systeme ist die konkrete Schutzwirkung entscheidend. Hierzu werden sie am Windenergietestfeld unter Standardbedingun-gen für den Schutz insbesondere von Rotmilanen getestet.