Der steile Hochlauf der Elektromobilität zeigt die große technische, ökonomische und ökologische Bedeutung von Lithium-Ionen-Batterien. Verbunden damit ist aber auch ein stark wachsender Bedarf an Rohstoffen, von denen einige bereits als kritisch im Hinblick auf die Versorgungssituation eingeordnet sind. Daher muss ihr Einsatz künftig verringert und die eingesetzten Rohstoffe effizienter genutzt werden. Das Forschungsprojekt PerForManZ des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) mit vier Industrieunternehmen setzt genau hier an. Durch die Kombination neuer Konzepte bei den Speichermaterialen, den eingesetzten Komponenten und dem Zellaufbau soll die Energiedichte gesteigert werden. Ziel ist außerdem, den Einsatz kritischer Rohstoffe wie Kupfer, Kobalt, Nickel und Naturgraphit signifikant zu reduzieren. Neben dem ZSW sind die BENDER GmbH Maschinenbau und Streckmetallfabrik, der Materialhersteller WACKER, der Batteriespezialist VARTA AG und als assoziierter Partner die BMW Group beteiligt. VARTA koordiniert das Vorhaben, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 2,5 Millionen Euro gefördert wird und bis zum 30. November 2024 läuft.
Hochenergiematerial für die Anode
Heutige Hochenergiezellen verwenden als Anodenmaterial hauptsächlich Graphit. Silicium ist jedoch in der Lage, gut zehnmal mehr Lithium zu speichern. Dadurch kann die Energiedichte der Zelle deutlich erhöht werden. Dies ist wichtig für die Reichweite von E-Autos. In kommerziellen Zellen wird jedoch nur maximal 5 Prozent Silicium dem Grafit beigemischt. Ein Grund liegt darin, dass das Silicium im elektrochemische Speicherprozess sein Volumen sehr stark ändert. Material und Elektrode werden dadurch stark geschädigt und die Lebensdauer der Zelle verkürzt.
Mit dem Forschungsvorhaben soll für dieses Problem ein Lösungskonzept erarbeitet werden. Ansatzpunkt sind das Material- und das Zelldesign. Die Materialien werden dabei so ausgelegt, dass sie direkt in üblichen Fertigungsprozessen für Elektroden eingesetzt werden können. Diese Materialien entwickelt WACKER in einem neuen Herstellprozess.
Neue Ableiterstrukturen
Kommerzielle Lithium-Ionen-Zellen setzen metallische geschlossene Ableiterfolien für die Elektroden ein. Diese bestehen aus Kupfer (Anode) und Aluminium (Kathode) und müssen mit energieintensiven Verfahren gewonnen werden. Im Gegensatz zu den üblichen Ableitern setzt das BMBF-Projekt auf Leichtbauweise und Durchlässigkeit. Eine neuartige Ableiterstruktur reduziert den Einsatz an Kupfer und Aluminium deutlich, ohne dass die Verarbeitungseigenschaften leiden. Dies bringt drei wesentliche Vorteile: Ressourcen werden eingespart, die Materialkosten verringert und gleichzeitig die spezifische Energie der Zelle erhöht. Zudem sollen im Projekt kostenaufwändige und qualitätsrelevante Prozessschritte, wie beispielsweise die Elektrolytbefüllung deutlich verkürzt werden, ohne dass Qualität und Sicherheit der Zelle leiden.
Und schließlich soll eine weitere Einschränkung der Siliciumanode beseitigt werden: Das Kathodenmaterial beinhaltet das gesamte für den Speichervorgang in der Zelle erforderliche Lithium. Ein Teil dieses Lithiums wird jedoch beim erstmaligen Laden der Zelle, der sogenannten Formierung, vom Silicium gebunden und geht so für die Speicherung verloren. Damit verbleibt ein entsprechender Teil des Kathodenmaterials ungenutzt in der Zelle, mitsamt den teuren und knappen Rohstoffen. Durch spezielle neue Verfahrensschritte soll dieser Lithiumverlust ausgeglichen und damit die vollständige Nutzung des Kathodenmaterials ermöglicht werden. Die Ableiterstrukturen werden von der BENDER GmbH Maschinenbau und Streckmetallfabrik im Projekt entwickelt.
Vertikale Beschichtungsprozesse
Alle Verbesserungen sollen in industrienahe Herstellprozesse umgesetzt werden, um im Pilotmaßstab leistungsfähige und sichere Batterien bauen zu können. Hierzu müssen die Prozessanforderungen an die neuartigen Stromableiter beim Mischen, Beschichten, Trocknen und Kalandrieren untersucht und verstanden werden. Hierfür erforschen die Wissenschaftler und Ingenieure schwerpunktmäßig den Einsatz einer vertikalen Beschichtungstechnologie. Dafür wird eine neue Anlage am ZSW in Ulm etabliert. Projektziel ist es, hochleistungsfähige leichte Elektroden in einem industrierelevanten Rolle-zu-Rolle-Prozess herzustellen und in Demonstratoren am ZSW zu verifizieren. Parallel führt VARTA die Ergebnisse des Projekts in die Produktion von gewickelten Knopfzellen und 21700-Rundzellen ein. Die so entwickelten Batterien können in zahlreichen Anwendungen zum Einsatz kommen.
Elektromobilität ist einer der Kernbeiträge zu klimafreundlicher Mobilität. Der Einsatz von Elektrofahrzeugen in Kombination mit regenerativ erzeugtem Strom kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten. Deshalb begleitet die BMW Group das Projekt im Hinblick auf die Anforderungen zum automobilen Einsatz und in Fragen der Industrialisierung.
Über die BENDER GmbH
Die BENDER GmbH fertigt seit fast 70 Jahren Spezialmaschinen für die Herstellung von Streckgittern. Weltweit ist sie das einzige Unternehmen, das Streckmetalle auf selbsterstellten Anlagen produziert und gleichzeitig die entsprechenden Maschinen und Anlagen herstellt und vertreibt. Diese Zweigleisigkeit ist die Basis des Erfolges, da so komplett verschiedene Märkte gleichzeitig bedient werden können. Der eigene Werkzeugbau und hochgenaue videografische Messmethoden mit entsprechender Softwareauswertung sorgen für höchste Qualität, wenn es um außergewöhnliche Maschen-Geometrien geht. Als hochinnovatives Unternehmen wurde in 2018 eine Mikro-Perforationsanlage angeschafft, die als Basis für das Folgeprojekt PerForManZ dienen soll. Diese Maschinentechnik erlaubt es unter Verwendung von speziellen Anpassungen Folien bis hin zu einer Dicke von 8 µm prozesssicher und variabel zu verarbeiten. Für das Vorhabenkönnen auf diese Weise angepasste und geometrisch variable Ableiterstrukturen hergestellt werden, die in Ihrem Flächengewicht weit unter dem typischer LIB Folienableiter liegen. Die Prozesstauglichkeit (R2R) bleibt bestehen da weitestgehend konventionelle und erprobte Ableiterfolien als Eingangsmaterial verwendet werden sollen. Bender ist nach EN 9100 und ISO 14001 zertifiziert. Intensive Zusammenarbeit mit renommierten Batterieherstellern qualifiziert Bender auch speziell für dieses Entwicklungsvorhaben.
Über die BMW Group
Die BMW Group ist mit ihren Marken BMW, MINI, Rolls-Royce und BMW Motorrad der weltweit führende Premium-Hersteller von Automobilen und Motorrädern und Anbieter von Premium-Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen. Das BMW Group Produktionsnetzwerk umfasst 31 Produktions- und Montagestätten in 15 Ländern; das Unternehmen verfügt über ein globales Vertriebsnetzwerk mit Vertretungen in über 140 Ländern. Im Jahr 2021 erzielte die BMW Group einen weltweiten Absatz von mehr als 2,5 Mio. Automobilen und über 194.000 Motorrädern. Das Ergebnis vor Steuern im Geschäftsjahr 2020 belief sich auf 5,222 Mrd. €, der Umsatz auf 98,990 Mrd. €. Zum 31. Dezember 2020 beschäftigte das Unternehmen weltweit 120.726 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seit jeher sind langfristiges Denken und verantwortungsvolles Handeln die Grundlage des wirtschaftlichen Erfolges der BMW Group. Das Unternehmen hat frühzeitig die Weichen für die Zukunft gestellt und rückt Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung konsequent ins Zentrum seiner Ausrichtung, von der Lieferkette über die Produktion bis zum Ende der Nutzungsphase aller Produkte.
Über die Varta AG
Die VARTA AG produziert und vermarktet ein umfassendes Portfolio von Mikrobatterien, Haushaltsbatterien, Energiespeichersystemen bis zu kundenspezifischen Batterielösungen. Das Segment „Lithium-Ion Solutions & Microbatteries“ fokussiert Mikrobatterien-, Lithium-Ionen-CoinPower-, Lithium-Ionen-Rundzellen (Lithium-Ion Large Cells) sowie Lithium-Ionen-Batteriepacks. Das Segment „Household Batteries“ umfasst das Batteriegeschäft für Endkunden, darunter Haushaltsbatterien, Akkus, Ladegeräte, Portable Power (Power Banks) und Leuchten sowie Energiespeicher. Durch intensive Forschung und Entwicklung setzt VARTA weltweite Maßstäbe und ist so anerkannter Innovationsführer in den wichtigen Wachstumsmärkten der Lithium-Ionen-Technologie sowie bei primären Hörgerätebatterien. Der VARTA AG Konzern beschäftigt derzeit nahezu 4.800 Mitarbeiter. Mit fünf Produktions- und Fertigungsstätten in Europa und Asien sowie Vertriebszentren in Asien, Europa und den USA sind die operativen Tochtergesellschaften der VARTA AG derzeit in über 75 Ländern weltweit tätig.
Über WACKER
Die Wacker Chemie AG ist ein weltweit tätiges Unternehmen der chemischen und Halbleiterindustrie mit einem Jahresumsatz von etwa 4,69 Milliarden € und ~14.300 Beschäftigten im Jahr 2020. Seit 2010 werden bei der Wacker AG Silicium basierte Materialien für Hochenergie-Lithium-Ionen-Zellen intensiv beforscht. Der Fokus der im Projekt Performanz einzubringenden Arbeiten liegt in der Nutzung der spezifischen Kernkompetenzen von WACKER im Bereich der Silicium- und Polymerchemie zur Bereitstellung von Aktivmaterialien und Bindern für LIB-Anoden.
Über das ZSW
Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) gehört zu den führenden Instituten für angewandte Forschung auf den Gebieten Photovoltaik, regenerative Kraftstoffe, Batterietechnik und Brennstoffzellen sowie Energiesystemanalyse. An den drei ZSW-Standorten Stuttgart, Ulm und Widderstall sind derzeit rund 300 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker beschäftigt. Hinzu kommen 100 wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte. Das ZSW ist Mitglied der Innovationsallianz Baden-Württemberg (innBW), einem Zusammenschluss von 12 außeruniversitären, wirtschaftsnahen Forschungsinstituten.
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